Ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem kontrovers diskutierten Thema wirklich einen Blogartikel verfasse oder nicht. Es gibt ja schon so viele Artikel zu dem Thema, aber könnte man etliche Seiten über das Thema verfassen. So stark ins Detail gehen möchte ich nicht, aber als Zahnmedizinerin, die viel von Vorsorge hält, möchte ich dennoch dazu Stellung beziehen. Außerdem fordert mich die TV-Werbung einer fluoridfreien Zahncreme, beziehungsweise vielmehr einer fluoridfreien Kinderzahncreme, ja ständig wieder dazu auf.

Was ist Fluorid eigentlich?

Fluorid ist das Salz der Fluorwasserstoffsäure. Während Fluor hochgiftig ist, handelt es sich bei Fluorid (z.B. Natriumfluorid) um ein Spurenelement. Es ist somit genauso wie mit unserem Speisesalz. Während auch Chlor giftig ist, handelt es sich bei Natriumchlorid um unser Speisesalz.

Was bewirkt Fluorid im Körper?

Fluorid schütz unsere Zähne 3-fach. Dabei sorgt es zum einen für eine vielfach höhere Säurebeständigkeit und Widerstandskraft der Zähne. Säuren entstehen besonders beim Abbau von Zucker durch Kariesbakterien. Fluorid stabilisiert dabei das kristalline Gitter des Zahnschmelzes und legt sich zusätzlich wie ein Schutzfilm (in Form von Calciumfluorid) um die Zähne. Zum anderen hilft Fluorid auch andere Mineralien aus dem Speichel zu lösen, um angegriffenen Zahnschmelz wieder zu reparieren. Außerdem wirkt Fluorid leicht antibakteriell.

Wie viel Fluorid sollte man zu sich nehmen?

Wir nehmen Fluorid, wie andere Spurenelemente auch, mit unserem Trinkwasser und unserer Nahrung auf natürlichem Wege zu uns. Ergänzende Fluoridquellen (wie fluoridierte Zahnpasta) schützen unsere Zähne, sollten aber auch nicht überdosiert werden.

Eine  Menge von 0,03-0,05 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht gilt als optimal. Das heißt, ein erwachsener Mensch soll pro Tag ca. 3,5 mg Fluorid zu sich nehmen, ein 1-jähriges Kind allerdings nur ca. 0,5 mg.

Wie nehmen wir Fluorid zu uns?

  1. Mineralwasser enthält ganz verschiedene Anteile Fluorid. Bis 0,7 mg/l sind die Mineralwässer für die Zubereitung von Säuglingsnahrung zugelassen. Es gibt aber auch viele verschiedene Marken, die nur 0,1 mg/l oder weniger Fluorid enthalten.
  2. Das Trinkwasser aus der Leitung enthält in Deutschland meistens 0,3 mg/l oder weniger. Für eine genaue Info sollte man sich bei seinem örtlichen Wasserversorger erkundigen.
  3. Fluorid nehmen wir außerdem mit der normalen, gesunden Nahrung zu uns. Es ist vor allem in Fisch und Meeresfrüchten, Salat und Nüssen enthalten. Aber auch andere Lebensmittel enthalten oft geringe Anteile Fluorid. Wie viel Fluorid über die Nahrung aufgenommen wird ist natürlich sehr individuell. Bei einem Erwachsenen kann man im Durchschnitt von ca. 0,1-0,3 mg pro Tag ausgehen.  Ein kleines Kind natürlich deutlich weniger.
  4. Fluoridiertes Speisesalz enthält meist 0,25 mg/g. Davon verzehrt ein Erwachsener Mensch ungefähr 2g/Tag, ein kleines Kind eher weniger.
  5. Fluoridtabletten enthalten 0,25-0,5 mg Fluorid.
  6. Bei Zähneputzen mit Fluoridzahnpasta nehmen Kinder unter 2 bei der empfohlenen Dosierung  (erbsengroße Menge = 0,25 g einer 500 ppm = 0,0005% Fluorid Kinderzahnpasta) ca. 0,25 mg Fluorid auf, wenn alles verschluckt wird. Kinder über 2 nehmen demnach ca. 0,5 mg Fluorid auf.

Kann Fluorid überdosiert werden?

Fluorid kann, wie alle Mineralien oder Vitamine auch überdosiert werden. Bei Kindern kann es ab einer Dosis von 0,1 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht zu einer Fluorose der Zähne (weißlich, gelblich oder bräunliche Flecken) kommen. Ab 5 mg/kg Körpergewicht wirkt Fluorid allgemein gesundheitsschädlich und es kann zu Erscheinungen wie Übelkeit oder Kopfschmerzen kommen. Das ist das 100fache der empfohlen, kariesprotektiven Menge. Bei Kindern sollte man darauf achten, dass nicht mehr als eine Fluoridquelle neben der normalen Ernährung und fluoridarmes Wasser  verwendet  wird. Bei Erwachsenen ist es bei normalem Verhalten (bitte nicht mehrere Zahnpastatuben am Tag essen!) nicht möglich Fluorid überzudosieren.

Grundsätzlich können allerdings fast alle Stoffe überdosiert werden, wenn die Ernährung zu einseitig ist oder Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden.

Ich kenne einen Patienten, der mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus kam. Er hatte 6-10 Bananen pro Tag gegessen. Die Diagnose was Kaliumüberschuss. Eine Freundin von mir ging wegen Kopfschmerzen und Schwindel zum Arzt. Sie hatte 5-6 Liter Wasser pro Tag getrunken.

Es würde bei daraufhin jedoch niemand auf die Idee kommen, keine Bananen oder Wasser mehr zu sich zu nehmen. Bei Fluorid ist dies genau so.

Es gilt somit: Die Dosis macht das Gift!

Ist Fluorid in der empfohlen Dosis gefährlich?

Nein, es gibt keine Studien, die belegen, dass Fluorid in der empfohlenen Dosis ungesund ist. Leider wurden viele Studien (wie in manchen anderen Bereichen auch) fehlinterpretiert, was zu Verunsicherung in der Bevölkerung führte.

In einer Studie zum Beispiel fand man Verkalkungen im Gehirn (Zirbeldrüse) von verstorbenen Menschen, die Fluorid enthielten. Genauso fand man aber auch ähnliche Verkalkungen bei Tieren oder Menschen die nachweislich kein Fluorid neben der normalen Aufnahme durch die Nahrung zu sich genommen hatten. Ich habe zumindest noch nie ein Tier mir fluoridhaltiger Zahnpasta die Zähne putzen sehen 🙂

Fluorid hat somit wohl nicht die Verkalkung verursacht. In anderen Studien wurden die Versuchspersonen einer viel zu hohen Dosis Fluorid ausgesetzt.

Dagegen gibt es viele Studien, die die kariesprotektive Wirkung und die Sicherheit von Fluorid belegen.

Welche Quellen nutze ich für die Fluoridaufnahme?

Fluorid wirkt am besten, wenn es direkt mit den Zähnen in Kontakt kommt. Daher empfehle ich bei Kindern ab dem ersten Zahn mit einer altersgerechten Zahnpasta zu putzen und auf stark fluoridiertes Mineralwasser zu verzichten. Erst ab einem Alter von 6 Jahren kann zusätzlich fluoridiertes Speisesalz benutzt werden. Es muss auch kein Fluorid vor den ersten Zähnen in Tablettenform verabreicht werden. 

Fluoridierte Zahnpasta ist effektiver als Fluoridtabletten. Keinesfalls sollte bei Kindern allerdings fluoridierte Zahnpasta und Fluoridtabletten gleichzeitig verwendet werden, denn dann könnte es zu Fluorosen kommen.

Welches Fluorid ist das beste?

Aminfluorid/Olafluor wirkt am besten gegen Karies, da es länger auf dem Zahnschmelz haftet als andere Verbindungen. Zinnfluorid wirkt besonders antibakteriell. Diese Vorteile sind aber nur minimal. Viele gute Zahnpasten enthalten beide genannten Fluoride. Benutzen Sie daher die Zahnpasta, mit der Sie ansonsten am besten zurecht kommen bzw. die auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Die Zahnpasta sollte in jedem Fall kein Mikroplastik enthalten und der RDA-Wert (Abrasionswert) zwischen 25-80 liegen. Ihr Zahnarzt berät Sie gerne dazu.

Kann man auch fluoridfrei putzen?

Ganz klar: Jein. Ich persönlich sehe für mich keinen Grund fluoridfrei zu putzen. Allerdings ist es möglich, die Zähne auch mit fluoridfreier Zahnpasta gesund zu erhalten. Man sollte allerdings besser und länger putzen als der durchschnittliche Deutsche und keinen Zucker zwischen den Hauptmahlzeiten zu sich nehmen (z.B. keine Süßigkeiten, keine Apfelschorle oder süßen Tee und kein klebriges Obst). Es ist dann ganz besonders wichtig mindestens zwei mal Jährlich zur Kontrolluntersuchung und professionellen Zahnreinigung zum Zahnarzt zu gehen. Weisen Sie ihren Zahnarzt auch darauf hin, dass Sie mit fluoridfreier Zahnpasta putzen.

Meiner Einschätzung nach würden nur ca. 3-5% meiner Patienten die nötige Zahnhygiene erbringen und sich entsprechend gesund ernähren, um ohne fluoridhaltige Zahnpasta ein ähnlich geringes Kariesrisiko aufzuweisen. Besonders für Patienten mit genetisch erhöhtem Kariesrisiko ist eine fluoridfreie Zahnpasta absolut nicht zu empfehlen. Darauf bin ich in meinem letzten Blogartikel „Gute Zähne, schlechte Zähne“ bereits eingegangen.

Ich esse auch gerne mal ein Stück Schokolade zwischendurch (das ist nicht das einzige….pssst!) und möchte trotzdem keine Karies an meinen Zähnen. Deshalb gehört fluoridhaltige Zahnpasta für mich zu den Grundpfeilern der Zahngesundheit.

 

 

Über den Author

Sina Runge

Sina Runge

Zahnärztin

Meine Name ist Sina Runge und ich bin Zahnärztin aus Erkrath.

Die Aufklärung meiner Patientinnen und Patienten ist für mich eine Herzensangelegenheit und deswegen schreibe ich auf meinem Blog viel Wissenswertes rund um die Zahnmedizin und Mundgesundheit.